Yoga ist nicht das was die meisten, vor allem hier im Westen, glauben. Es scheint daher notwendig, zu den eigentlichen Wurzeln dieses Phänomens menschheitlicher Spiritualität zurückzukehren. Um es mit den Worten von der Heiligen Mutter in Indien - Ma Santi Devi (1904-2002)- auszudrücken:
„Heutzutage gibt es mehr Yogalehrer als potentielle Schüler auf dieser Welt“.
Und das trifft es auf den Punkt. Yoga sprießt aus allen Ecken und Enden. Überall findet man Yogaschulen und Lehrer, die verschiedenste Arten und Techniken von Yoga anbieten. Yoga wurde zu einer Modeerscheinung, einer netten Freizeitgestaltung, einer Entspannungsübung, einer modernen Fitnessvariante.
Doch weit gefehlt von der ursprünglichen, traditionellen Bedeutung des Yoga. Yoga ist keine Körperstellung, Entspannungsübung, Fitnesstraining oder Atemtechnik.
Das Wort „Yoga“ stammt aus dem Sanskrit und heißt - „anbinden, vereinigen“. Es bedeutet Einheit von zwei Dingen und Einheit von allen Dingen. Wenn wir versuchen den Ursprung der Welt, so wie wir sie wahrnehmen zu verstehen, dann erkennen wir, dass eine Dualität vorherrscht. Als Beispiel: Ich – der Seher – sehe das Objekt dort und nehme es als von mir getrennt wahr. Das ist unsere normale Wahrnehmung. Die Einheit von Seher und Gesehenem = Yoga.
Philosophisch gesehen bedeutet Yoga die Einheit von jīva (menschliches Bewusstsein) und Ātma (der individuellen göttlichen Seele) und Einheit von Ātma und Paramātmā (allumfassende göttliche Seele).
Diese Einheit, Verbindung ist „Yoga“.
Yoga wird in den Sanskrittexten auch dazu verwendet, das eigentliche Ziel des Yoga anzugeben. So bezieht sich das Wort auch auf die Verwirklichung des transzendentalen Selbst oder auf den temporären Ekstasezustand (samādhi).
Ein Yogi oder Yogini strebt das höchste Ziel des Yoga an - Die Befreiung (mukti, mokṣa). Was die höchste Freiheit darstellt die ein Mensch hier auf Erden erfahren kann. Sie ist die andauernde ekstatische Freude des transzendentalen Selbst. Sie ist sowohl der Grund für die Existenz jedes authentischen Yoga wie auch das Ziel. Die yogische Technik erfüllt sich selbst in ihrer eigenen Überschreitung. Denn die Seelenbefreiung ist nicht eine Technik – sie ist eine Art und Weise, in der Welt zu leben, ohne von ihr zu sein.
Quelle: Georg Feuerstein, Die Yoga Tradition, 4. Auflage 2013, Yoga Verlag GmbH